| Margit Wunsch | NEP

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplan 2025 gelesen und möchte folgende Stellungnahme abgeben:

1. Widerspruch mit dem bestehenden Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt: „neu zu planenden Hochspannungs-GleichstromÜbertragungsnetze (HGÜ) sollen, wo möglich, als Freileitungen umgesetzt werden. Dabei werden wir besonders belastete Regionen berücksichtigen.“

Die vorgesehene Umsetzung der HGÜ DC42 und DC42+ als Freileitung widerspricht daher aus zwei Gründen dem Koalitionsvertrag:

- Eine einheitliche Umsetzung als Freileitung berücksichtigt keine besonders belasteten Regionen. Diese müssen zunächst auf Grundlage von Bevölkerungsdichte, Naturschutzgebieten und anderen Kriterien definiert und angewendet werden. Erst dann kann festgelegt werden ob und wo Freileitungen gebaut werden können. Dabei ist festzuhalten, dass die Übertragungsnetzbetreiber und Industrie einvernehmlich feststellen, dass das Einsetzen von sowohl Freileitungen als auch Erdkabeln zu unnötigen Kosten und erheblichen technischen Anfälligkeiten führt.
- Die Bundesnetzagentur hat für DC42 bereits Suchräume für den Korridor definiert und viele Jahre in die Planung des Projekts investiert, sodass es nicht als „neu“ zu werten ist. Die Umplanung eines sich bereits in Planung befindlichen Projekts führt zu erheblichen Verzögerungen und Kostensteigerungen.

2. Verzögerungen und steigende Kosten durch Umplanung und fehlender Akzeptanz

Eine Neuplanung des SüdWestLinks (DC42/42+) würde zu diesem Zeitpunkt einem mehrjährigen Zeitverlust führen, da Suchräume neu definiert werden müssten. Abstände zur Wohnbebauung oder bestehende Belastungen für den Naturraum müssten für Freileitungen neu ausgewertet und definiert werden, obwohl diese Berechnungen für Erdkabelverwendung bereits angefertigt wurden.

Hinzu kämen bei der Umsetzung mit Freileitungen weitere Verzögerungen wegen juristischer Vorgehen und Klagen, da die gesellschaftliche Akzeptanz für Freileitungen fehlt. Vor dem Erdkabelvorrang 2015 wurden rund ein Drittel der Stromübertragungsprojekte wegen Ablehnung der Bevölkerung gegen Freileitungen verzögert. Die Anzahl der Klagen gegen Ultranet (mit Freileitungen gebaut) ggü. A-Nord (Erdkabel) war um ein mehrfaches höher, was die anhaltenden Schwierigkeiten unterstreicht, Projekte mit Hochspannungs-Freileitungen umzusetzen. Eine Civey-Umfrage vom Juni 2024 zeigt, dass weiterhin mehr als zwei Drittel der deutschen Wählerinnen und Wähler Erdkabel den Freileitungen vorziehen. Dies ist besonders problematisch, da eine erfolgreiche Energiewende nur mit breiter gesellschaftlichen Akzeptanz umgesetzt werden kann.

Während des mehrjährigen Stillstandes würden Redispatchkosten weiterhin anfallen und zu steigenden Kosten führen. Eine schnelle und kosteneffiziente Umsetzung des SüdWestLinks ist daher nur durch die Beibehaltung der Erdkabeltechnologie und der Umsetzung des bereits in Planung befindlichen Korridors möglich.

Zudem sehen die Szenarien A, B und C im Zieljahr 2037 eine Ausbaukapazität von 50-54,7 GW vor. Wie kann sichergestellt werden, dass der Netzausbau zur Übertragung dieser Leistung zeitgerecht zur Verfügung steht, da die geplanten Netzanschlüsse des Zubaunetzes zeitlich verschoben wurden?

3. Langfristige volkswirtschaftlichen Kosten

Wie der Monitoring Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im September 2025 bekräftigte, beruhen die Zahlen, mit denen die Rückkehr zu Freileitungen begründet wird, auf verschiedenen, nicht nachvollziehbaren Berechnungen.

Uneinheitlich vermutete Kostenkorrekturen und übereilte Änderungen dürfen eine gründliche Bewertung und eine langfristige, volkswirtschaftliche Analyse der Lebenszykluskosten nicht ersetzen. Bei der Entscheidung für Freileitungen anstelle von Erdkabeln sollte das Gesamtbild aus Genehmigungskosten, Betriebs- und Wartungskosten, Sicherheit, Belastbarkeit, externen Einflüssen wie Waldbrand oder Blitzschlag, biologischer Vielfalt und Umweltverträglichkeitsprüfung, Beschäftigung, Steuer- und Exporteinnahmen, Nachhaltigkeit, Agrarsubventionen und Leistung über den Lebenszyklus von über 40 Jahren berücksichtigt werden. Diese Faktoren sprechen eher für Erdkabel als für Freileitungen.

Die Entscheidung zwischen Freileitung und Erdkabel darf nicht allein auf Basis der nominalen Investitionskosten (CAPEX) getroffen werden. Eine ganzheitliche volkswirtschaftliche Betrachtung zeigt, dass die Erdkabel-Lösung durch nationale Wertschöpfung und Steuerrückflüsse die wirtschaftlich sinnvollere und für den Staat netto günstigere Option darstellt. Zudem ist zu beachten:

3.1 Fiskalische Rückkopplung und Steuerrückfluss

Während die Komponenten für Freileitungen (Stahlgittermaste, Leiterseile) zunehmend aus dem außereuropäischen Ausland (Asien) bezogen werden, verfügt Deutschland und Europa über eine geschlossene Wertschöpfungskette für HGÜ-Erdkabel.

- Inlandsquote: Bei Erdkabeln verbleibt der Großteil der Investitionen im nationalen Wirtschaftskreislauf.
- Refinanzierung: Durch Unternehmenssteuern, Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge fließen geschätzt 30 bis 45 % der Auftragssumme indirekt an den Staat zurück. Bei Auslandsbezug (Freileitung) tendiert dieser Rückfluss gegen Null.

3.2 Der Multiplikatoreffekt für die deutsche Wirtschaft

Investitionen in heimische Infrastruktur lösen einen Fiskalmultiplikator von ca. 1,5 aus. Jeder investierte Euro generiert zusätzliche Wirtschaftsleistung in verwandten Branchen (Spezialtiefbau, Logistik, Ingenieursdienstleistungen). Ein Abfluss der Mittel ins Ausland hingegen schwächt die Handelsbilanz und lässt das heimische BIP unberührt.

4. Abhängigkeiten von Lieferketten / Souveränitätsverlust

Die Energiekrise infolge des Ukrainekriegs hat gezeigt, wie verletzlich Deutschland durch externe Abhängigkeiten ist. Geopolitische Konflikte können die Versorgungssicherheit gefährden und enorme Kosten verursachen. Energiesouveränität ist daher nicht nur ökologisch, sondern auch sicherheits- und wirtschaftspolitisch unverzichtbar.

Erdkabel werden in Deutschland und Europa hergestellt, während die meisten Hochspannungs-Freileitungen in Asien produziert werden. Die Abhängigkeit von russischem Gas darf nicht durch eine Abhängigkeit von asiatischen Freileitungen ersetzt werden. In Deutschland und Europa gefertigte Erdkabel garantieren sichere und belastbare Versorgungsketten in besonders kritischen Infrastrukturen, sowohl für Reparaturen als auch für die zukünftige Versorgung.

Zudem sieht der aktuelle Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) in den Szenarien A und B Nettoimporte von 42 bzw. 73 TWh Strom vor. Deutschland kann diese Abhängigkeit durch einen entschlossenen Ausbau der Offshore-Windenergie und Interkonnektoren deutlich verringern. Ursprünglich waren 70 GW Offshore-Leistung vorgesehen – ein Ziel, das hinterfragt wird. Dabei weist Offshore-Wind die höchsten Volllaststunden aller erneuerbaren Energien auf und liefert verlässlich Strom über das ganze Jahr. Damit ist sie die einzige erneuerbare Quelle, die Grundlastanteile übernehmen und Versorgungssicherheit gewährleisten kann.

Ein Festhalten an ambitionierten Offshore-Zielen würde die Importabhängigkeit senken, die Klimaziele absichern und Investitionen sowie Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Es stärkt die technologische Führungsrolle und erhöht die Resilienz des Energiesystems. Politik muss Offshore-Wind als strategische Säule der Energiewende begreifen und die 70 GW verbindlich festschreiben. Nur so bleibt Deutschlands Energieversorgung sicher und wettbewerbsfähig – ein Kurs der Abhängigkeit wäre dagegen ein Kurs der Unsicherheit.

5. Bündelung von Infrastrukturvorhaben

Im Zuge der Erstellung des Netzentwicklungsplans wurde eine intersektorale Kopplung der unterschiedlichen Infrastrukturvorhaben (z.B. Strom und Wasserstoff) geplant. Wurden hierzu auch eine Bündelung der Routenführung geplant zum Ziele des effektiven und effizienten Ausbaus geprüft? Beispielsweise könnte der Ausbau von Kabeln und Wasserstoffpipelines in der gleichen Trasse gebündelt werden, um Tiefbaukosten zu reduzieren.

6. Technologie

Im NEP wurden zahlreiche Technologieverbesserungen im Freileitungsbau beschrieben und geprüft, z.B. Höherauslastung von Netzkomponenten, Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen, etc. Sowohl die Technologie wird als in einem frühen Reifegrad als auch der Aufbau der Industrie an sich als kritisch betrachtet.

Es wurden jedoch keine Berücksichtigungen von Technologieverbesserungen im Bereich des Kabels berücksichtigt. Hier wird trotz erheblicher Technologieentwicklungen der letzten zehn Jahre noch mit den gleichen Technologien wie zum Start der ersten HGÜ Trassen in Deutschland geplant.

7. Interkonnektorenziel

Die Europäische Union hat im kürzlich veröffentlichen Grids Package nochmal die Bedeutung der Interkonnektivität zwischen Ländern betont und die Zielmarke von 15% Interkonnektorkapazität als Minimum definiert. Werden diese Ziele im vorliegenden Netzentwicklungsplan erreicht?

Margit Wunsch, Public Affairs Manager