Besonderheiten des NEP 2030 (2019)

Der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) am 15. Juni 2018 genehmigte und veröffentlichte Szenariorahmen 2030 (2019) ist die Grundlage für die Erarbeitung des Netzentwicklungsplans (NEP) 2030, Version 2019. Er beschreibt die voraussichtlichen Entwicklungen in den Bereichen erneuerbare Energien, konventionelle Energie sowie Energieverbrauch und Last in Deutschland.

Weitere Informationen

Allgemeine Informationen zum Szenariorahmen und zum Prozess finden Sie hier:

Im genehmigten Szenariorahmen hat die BNetzA umfängliche Neuer­ungen vorge­nommen, mit denen neue Anfor­derungen an den NEP und die Über­tragungs­netz­betreiber (ÜNB) einhergehen. Die wesent­lichen Neuerungen zeigen sich vor allem in der Aus­ge­staltung der Szena­rien und den damit verbun­denen An­nah­men zu den Erzeu­gungs­kapazitäten. Daneben wird eine neue Methode zur Bestim­mung der Handels­kapa­zitäten an den Grenz­kuppel­stellen zum Ausland (Flow-Based Market Coupling), eine Kosten-Nutzen-Analyse für neue Inter­konnektoren und die Berück­sichtigung neuer, innovativer Techno­logien, die den Netz­ausbau­bedarf reduzieren können, gefordert. Diese Neuerungen werden im Folgenden ausführlich erläutert.

Es ist zu erwarten, dass die neuen Anfor­derungen die Ergeb­nisse des NEP beein­flussen werden. Vor allem wird der im NEP ausge­wiesene Netz­ent­wick­lungs­bedarf aufgrund der Vor­gabe eines Anteils von 65 Prozent erneuer­barer Ener­gien am Strom­verbrauch in allen Szena­rien für das Zieljahr 2030 gegenüber den im Bundes­bedarfs­plan fest­gelegten Maß­nahmen voraus­sichtlich weiter ansteigen. Darüber hinaus werden sich wegen der not­wendigen umfang­reichen An­passun­gen die Ver­öffent­lichung des Netz­ent­wick­lungs­plans und die Konsul­tation auf den Jahres­beginn 2019 verzögern.

    Unterschiedlich innovative Szenarien

    Bei der Ausgestaltung der Szenarien zeigt der genehmigte Szenariorahmen für den NEP 2030 (2019) wesentliche Veränderungen im Vergleich zum vorherigen Szenariorahmen.

    Zunächst hat sich die Anzahl der zu betrachtenden Szenarien verändert. Dem NEP 2030 (2019) müssen nicht vier, sondern fünf Szenarien zugrunde gelegt werden: B 2025, A 2030, B 2030, C 2030, und B 2035. Das zusätzliche Zwischenszenario B 2025 dient dabei zur Prüfung der von den ÜNB eingereichten kurzfristig durchführbaren Maßnahmen (Ad-hoc-Maßnahmen).

    Auch bei der Szenarienausgestaltung zeigen sich Veränderungen. Die Ausgestaltung erfolgt auf Basis der prognostizierten Transformation des Energiesektors (Energiewende) mit unterschiedlicher technologischer Ausprägung (Innovationsgrad) und Umsetzungsgeschwindigkeit (Transformationstempo). Innovation bezeichnet in diesem Zusammenhang den Einsatz neuer Technologien im Stromsektor zur Steigerung der Flexibilität und der Energie- sowie Emissionseffizienz. Das Transformationstempo beschreibt die Umsetzungsgeschwindigkeit der Energiewende.

    Hinsichtlich der angenommenen Umsetzungsgeschwindigkeit der Energiewende (Transformationstempo) unterscheiden sich die Szenarien im Gegensatz zum letzten Szenariorahmen nicht mehr. Eine maßgebliche Annahme dazu im aktuellen Szenariorahmen ist, dass entsprechend der Ziele aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 12.03.2018 in allen drei Szenarien mit dem Zieljahr 2030 ein Anteil von 65 % erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch erreicht wird.

    Eine Differenzierung der Szenarien erfolgt hingegen anhand des angenommenen Innovationsgrads. Im genehmigten Szenariorahmen wird beim Innovationsgrad nach Unterschieden in den zentralen bzw. dezentralen Erzeugungsstrukturen und dem Einsatz von Treibern der Sektorenkopplung (Elektromobilität und Wärmepumpen) differenziert. Darüber hinaus unterscheiden sich die Szenarien in der Durchdringung mit Flexibilitätsoptionen (Power-to-Gas, Power-to-Heat und DSM) sowie Speicher (PV-Batteriespeicher und Großspeicher). Insgesamt sind sowohl die Treiber für die Sektorenkopplung als auch die Flexibilitätsoptionen und Speicher gegenüber dem NEP 2030 (2017) noch einmal signifikant erhöht worden.

    Unter Berücksichtigung des Transformationstempos und des Innovationsgrads ergibt sich damit folgende schematische Darstellung zur Einordnung der Szenarien.

    Zum Nachlesen

    Auf den Seiten 79 bis 82 des Genehmigungsdokuments zum Szenariorahmen 2030 (2019) finden Sie nähere Information zur Ausgestaltung der einzelnen Szenarien.

    Gesteigerte erneuerbare Erzeugungskapazitäten

    Die durch die BNetzA für die Szenarien zugrundgelegten Erzeugungskapazitäten unterscheiden sich deutlich vom vorherigen Szenariorahmen.

    Einerseits wird eine um fünf bis sechs Gigawatt geringere konventionelle Erzeugungsleistung in allen Szenarien mit dem Zieljahr 2030 gegenüber dem NEP 2030 (2017) angenommen. Das zeigt sich zum Beispiel in den Annahmen zur Stromerzeugung aus Kohle: Bereits für das Szenario B 2025 wird eine Halbierung der Kohlekapazität im Vergleich zum Jahr 2017 vorgesehen. Diese hatten die ÜNB in ihrem Entwurf des Szenariorahmens erst für das Jahr 2030 prognostiziert.

    Andererseits gibt der Szenariorahmen für alle Szenarien mit dem Zieljahr 2030 40 bis 50 GW mehr installierte Leistungen aus erneuerbaren Energien vor als dies im NEP 2030 (2017) der Fall war. Dies beinhaltet in allen Szenarien mit dem Zieljahr 2030 eine höhere installierte Kapazität an Offshore-Windenergie als dies aktuell gesetzlich vorgesehen ist. Im genehmigten Szenariorahmen werden 17 bis 20 GW Offshore-Wind für 2030 vorgegeben, während im Flächenentwicklungsplan des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie gemäß den Vorgaben des aktuellen EEG 15 GW vorgesehen sind. Darüber hinaus wurden Offshore-Erzeugungsleistungen im Umfang von bis 1,1 GW von der Ostsee in die Nordsee verlagert, so dass die Ostsee nun 2,2 GW anstelle von 3,3 GW aufweist.

    Zum Nachlesen

    Auf den Seiten 79 bis 82 des Genehmigungsdokuments zum Szenariorahmen 2030 (2019) finden Sie nähere Information zur Ausgestaltung der einzelnen Szenarien.

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    Neue Systematik zur Modellierung des europäischen Handels

    Der im europäischen Energiebinnenmarkt gehandelte Strom wird über das Übertragungsnetz transportiert. Die Übertragungsleitung zwischen zwei Ländern wird dabei als Interkonnektor bezeichnet.

    Vor diesem Hintergrund ist die Bestimmung der Handelskapazitäten zwischen Deutschland und den angrenzenden europäischen Nachbarländern ein wesentlicher Aspekt für die Netzausbauplanung. Dafür ist es notwendig, in der Marktsimulation den Stromhandel zwischen den europäischen Marktgebieten abzubilden. Grundsätzlich gilt es dabei dem Gedanken eines freizügigen Energiebinnenmarktes zu folgen. Gleichzeitig muss aber berücksichtigt werden, dass nur begrenzte Kapazitäten im Übertragungsnetz zur Verfügung stehen und deswegen hier Beschränkungen für den Handel nachmodelliert werden müssen.

    Die BNetzA legt im genehmigten Szenariorahmen dazu erstmals fest, dass die möglichen Handelsflüsse zu anderen Marktgebieten in den Szenarien des NEP 2030 (2019) über eine lastflussbasierte Kapazitätsberechnung, dem sogenannten „Flow-Based Market Coupling“ (FBMC), durch die Übertragungsnetzbetreiber zu ermitteln sind. Die neue Vorgehensweise müssen die ÜNB an allen Grenzen zu deutschen Nachbarstaaten anwenden. Damit werden in der Netzplanung Regelungen zur Kapazitätsberechnung vorweggenommen, die im Zuge des „Clean Energy Package“ der EU-Kommission wahrscheinlich im Jahr 2030 gelten werden. In den vorherigen Netzentwicklungsplänen wurde hierbei bisher ein anderes Verfahren auf Basis des genehmigten Szenariorahmens angewendet: Für den gerichteten Austausch zwischen zwei Marktgebieten wurden feste Übertragungskapazitäten, sogenannte „Net Transfer Capacities“ (NTCs), vorgegeben.

    FMBC unterscheidet sich von der Verwendung fester NTCs im Wesentlichen darin, dass verfügbare Kapazitäten nicht mehr zwischen Marktgebieten und für das ganze Jahr fest vorgegeben werden, sondern die Auslastung der einzelnen Interkonnektoren zu jeder Stunde des Jahres berücksichtigt wird, da diese durch den Handel besonders stark belastet werden. So wird in der Netzplanung berücksichtigt, dass zu manchen Zeiten höhere Übertragungskapazitäten für den Handel zur Verfügung stehen können.

    Das neue Vorgehen erhöht die Anforderungen an die Marktmodellierung, da die Kapazitäten sich bei diesem Ansatz mit dem Marktgeschehen im In- und Ausland ändern. Dies erforderte von den ÜNB die aufwändige Entwicklung einer entsprechenden Methodik im NEP.

    Zum Nachlesen

    Auf den Seiten 156 bis 158 des Genehmigungsdokuments zum Szenariorahmen 2030 (2019) finden Sie nähere Information zur Bestimmung der grenzüberschreitenden Handelskapazitäten.

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    Kosten-Nutzen-Analysen für Interkonnektoren

    Interkonnektoren sind grenzüberschreitende Leitungen, die den Handel von Strom in Europa ermöglichen. In der Bestätigung des Szenariorahmens fordert die BNetzA nun erstmals, dass Interkonnektoren, die über den aktuellen Bundesbedarfsplan hinausgehen, im NEP 2030 (2019) einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden. Dabei handelt es sich um folgende Interkonnektoren:

    • Deutschland - Großbritannien (NeuConnect)
    • Deutschland - Schweden (Hansa Power Bridge 1) (P 221)
    • Deutschland - Belgien (zweiter Interkonnektor) (P 313)
    • Uchtelfangen-Ensdorf - Bundesgrenze (FR) (P 170)
    • Südwestliches Baden-Württemberg, Eichstetten - Bundegrenze (FR) (P 176)
    • Tiengen - Bundesgrenze (CH) (P 204
    • 380-kV-Kuppelleitung zwischen Aach (DE) und Bofferdange (LU)
    • Deutschland - Schweden (Hansa Power Bridge 2, nur für das Zieljahr 2035)

    Der Nachweis, dass ein Interkonnektor erforderlich und sinnvoll ist, wird dann nicht mehr wie bisher nur über das (n-1)-Kriterium geführt, sondern berücksichtigt auch weitere Zwecke von Interkonnektoren.

    Darunter fallen zum Beispiel der volkswirtschaftliche Nutzen des Projekts durch die Vergrößerung der Handelskapazitäten, mögliche CO2-Minderungen und Effekte, die zu einer besseren Integration erneuerbarer Energien führen.

    Zum Nachlesen

    Auf den Seiten 159 bis 161 des Genehmigungsdokuments zum Szenariorahmen 2030 (2019) finden Sie nähere Information zur Bewertung von Interkonnektoren.

    Berücksichtigung technologischer Innovationen

    Neue Technologien im Netzbetrieb können den Netzausbaubedarf reduzieren. Deshalb ist gesetzlich festgelegt, dass die Übertragungsnetzbetreiber Technologien im Netzentwicklungsplan berücksichtigen, die im Zieljahr wahrscheinlich zur Verfügung stehen und zu einer besseren Auslastung des Netzes führen können.

    In vergangenen Netzentwicklungsplänen haben die Übertragungsnetzbetreiber deshalb bereits Technologien wie das Freileitungsmonitoring (FLM), Hochtemperaturleiterseile (HTL/HTLS), die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) sowie lastflusssteuernde Elemente wie z. B. Phasenschiebertransformatoren (PST) in ihren Planungen berücksichtigt.

    In der Genehmigung des Szenariorahmens fordert die BNetzA die Übertragungsnetzbetreiber nun auf, eine umfassende Darstellung und Bewertung aller bekannten netztechnischen Betriebsmittel und relevanten neuen Technologien auch der Betriebsführung vorzunehmen. Dabei soll unter anderem die erwartete Wirkung auf Engpässe, die Integration ins Netz und die Auswirkungen auf den Netzbetrieb untersucht werden.

    Im Netzentwicklungsplan wird daher der Einsatz neuer Betriebsmittel durch die ÜNB in besonderem Maße geprüft und – soweit möglich – bewertet.

    Zum Nachlesen

    Auf den Seiten 185 und 186 des Genehmigungsdokuments zum Szenariorahmen 2030 (2019) finden Sie nähere Information zu neuen technischen Ansätzen für Netzbetriebsmittel oder Netzbetriebsführung.