| BI Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat | NEP

Betreff: Stellungnahme im Konsultationsverfahren zum NEP 2030 Strom

Bürgerinitiative: Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat!
Sprecher:
Hartmut Lindner, Choriner Ende 5., 16230 Chorin OT Senftenhütte

Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit überreiche ich Ihnen im Anhang (pdf-Datei) die Stellungnahmen der Bürgerinitiative: Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat, deren Sprecher ich bin, mit der Bitte diese Stellungnahmen zum Netzentwicklungsplan 2030 Strom auf Ihrer Homepage zu veröffentlichen und in den Konsultationsprozeß einzuspeisen.

Sie erhalten hierfür meine ausdrückliche Zustimmung (Einverständniserklärung).

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Lindner



Stellungnahme der Bürgerinitiative: Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat! zum Netzentwicklungsplan Strom 2030 der Übertragungsnetzbetreiber

1. Unzureichende Bürgerbeteiligung bei der Netzplanung

Der Netzentwicklungsplan greift nach seiner Verabschiedung durch das Parlament als Bundesbedarfsplangesetz ganz erheblich in das Infrastrukturgeschehen der einzelnen Kommunen ein. Die zunehmende Kompetenzverlagerung von der Landes- auf die Bundes- und schließlich auf die EU-Ebene (TYNDP) macht die lokale Bürgerbeteiligung mehr und mehr zur Farce, zumal neuere gesetzliche Regelungen (ENLAG und NABEG) und die Beschneidung des Rechtswegs die Mitwirkung der Bürger nicht etwa einfacher machen, sondern sie eher erschweren.

Die Bürgerinitiative Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat! hält folgende Bedingungen für effektive Bürgerbeteiligung für unverzichtbar:

Transparenz auf allen Stufen der Planungsprozesse

von den Netzbetreibern und Energiekonzernen unabhängige Recherche und wissenschaftliche Beratung im Interesse der Bürger

detaillierte und nachvollziehbare Darstellung der energiepolitischen und übertragungstechnischen Notwendigkeit der geplanten Maßnahmen.

Diese Bedingungen sind mit der Vorlage des von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) verfassten Netzentwicklungsplans Strom 2030 (NEP 2030) nicht gegeben. Die Bürgerinitiative betrachtet das im EnWG vorgesehene Konsultationsverfahren in der gegenwärtigen Form nicht als ein geeignetes Instrument, um den Bürgerwillen beim Netzausbau effektiv zur Geltung zu bringen. Sie sieht darin wie bereits in den Jahren 2012 und 2014 bei der Konsultation des NEP 2012 bzw. NEP 2014 eher ein Verfahren, den von den Netzbetreibern geplanten und in der Öffentlichkeit umstrittenen Netzausbau abzusichern und zu “legitimieren”.
Es handelt sich nach unserer Einschätzung nur um eine Scheinbeteiligung der Öffentlichkeit, nicht um echte Beteiligung, denn die grundsätzlichen Fragen, ob und wie ein dezentrales Energieversorgungssystem aufgebaut werden und was es leisten könnte, stehen nicht zur Debatte.

Im „Ilmenauer Signal“ (www.zubila.de/ilmenauer-Signal.html) des „Netzgipfels von unten“ (Dez. 2012) wird die Konzeption eines dezentralen Energieversorgungssystems mit erneuerbarer Energie näher erläutert.

Die Notwendigkeit jeder einzelnen Maßnahmen wird im NEP 2030 nicht nachvollziehbar dargestellt sondern nur durch qualitative Aussagen, die sehr allgemein gehalten sind, begründet (Anhang, Projektsteckbriefe).

So wird z.B. im „Steckbrief“ zur „Uckermarkleitung“ geschrieben:
„Das netztechnische Ziel der Maßnahmen ist es, die horizontale Übertragungskapazität im Netz der 50Hertz und regelzonenüberschreitend bzw. länderübergreifend zum benachbarten polnischen Übertragungsnetzbetreiber PSE zu erhöhen. “(NEP 2030, Anhang - Projektsteckbrief, S. 165)

„Auch die im Rahmen des NEP durchgeführten Untersuchungen zeigen die Notwendigkeit eines Leitungsneubaus deutlich auf: Die Einspeiseleistung der in der Netzregion Uckermark bereits heute vorhandenen Windparks sowie die der zukünftig geplanten EE-Anlagen übersteigt die Übertragungskapazität der vorhandenen 220-kV-Leitung Neuenhagen – Bertikow – Vierraden um ein Vielfaches.“(NEP 2030, Anhang: Projektsteckbriefe, S.167)

Diese allgemeine Darstellung ist nicht geeignet eine Steigerung der Übertragungskapazität um das 4,5 fache gegenüber der Übertragungskapazität der bestehenden 220kV-Freileitung zu begründen.

Sie kann auch nicht die eklatanten Eingriffe in das Biosphärenreservat Schorfheide - Chorin und zwei europäische Vogelschutzgebiete und den Naturpark Barnim rechtfertigen, die bei Realisierung der Planung unvermeidlich wären.

Irreführend ist die in Kapitel 5 des NEP 2030 (S. 106) abgedruckte „Übersicht der im NEP 2030 identifizierten Maßnahmen sowie deren Umsetzungsstatus“, in der die Tatsache, dass seit 2014 ein Baustopp über das ENLAG-Projekt Nr. 3 verhängt wurde und das BVerwG am 21.1.2016 geurteilt hat, dass der Planfeststellungsbeschluss für dieses Vorhaben„rechtswidrig und nicht vollziehbar“ ist. In der Tabelle wird das Projekt als „genehmigt oder im Bau“ , „ vor oder im PFV/Genehmigung nach BImSch“ qualifiziert.
Das ist nur die halbe Wahrheit, weil die Rechtswidrigkeit des PFB verschwiegen wird.
Man fragt sich, wieviele weitere Rechtsstreite sind wegen fragwürdiger Trassenplanungen anhängig? Die Netzplanung ist ja durchaus umstritten.

Die Bürgerinitiative Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs
Reservat! kann daher im Konsultationsverfahren für den NEP 2030 nur kritische Anmerkungen machen, eine Zustimmung zu den Netzausbauplänen kann aus dieser Beteiligung nicht abgeleitet werden.

2. Konzeptionelle Verengung auf zentralistische Strukturen

Es zeigt sich in den Ausführungen zur Marktsimulation (S.57f) , dass der Netzentwicklungsplan 2030 nicht, wie in der öffentlichen Diskussion häufig behauptet, in erster Linie der inländischen Versorgung mit erneuerbaren Energien und somit der Energiewende dient, sondern vielmehr den großen Energieunternehmen zur von der EU gewollten und von den Verbrauchern zu finanzierenden Infrastrukturabsicherung für den europäischen Stromhandel vor allem auch mit Kohlestrom nützt (NEP 2030, Marktsimulation, Szenario A, S. 54). Die gestiegenen Kohlestromexporte (51TWh) und der hohe CO2-Ausstoß im Jahr 2015 , die fortgeschrieben werden, belegen diese Einschätzung sehr deutlich.

Der von den ÜNB vorgelegte NEP 2030 ist auf die weitere Fortschreibung zentralistischer Strukturen der Stromerzeugung und –verteilung fixiert. Mit dem gegenwärtigen Nord-Südgefälle der Stromerzeugung wird der Aus- und Neubau von Tausenden von Kilometern Höchstspannungsfreileitungen begründet. Die Konzepte und Maßnahmen der bereits realisierten dezentralen Stromerzeugung und -versorgung werden im NEP 2030 nicht berücksichtigt.

Der NEP 230 ignoriert die Möglichkeiten, die die erneuerbaren Energien für die Neustrukturierung des Energiesystems zu einem mehr dezentralen System bieten. Wesentliches Element des dezentralen Ausbaus der erneuerbaren Energien ist es, Strom dort zu erzeugen, wo er benötigt wird. Große Distanzen zwischen dem Ort der Erzeugung und dem Ort des Verbrauchs werden so vermieden und die erforderliche Länge neuer Stromtrassen deutlich reduziert ( Peter Droege, Präsident von EUROSOLAR).
Durch Dezentralisierung lässt sich folglich der Netzausbau begrenzen.
Hierzu finden sich im NEP 2030 keinerlei Überlegungen.



3. Die Trassenplanung des NEP 2014 ist überdimensioniert, daher unwirtschaftlich und deshalb nicht genehmigungsfähig

Wenn man die im NEP 2030 empfohlenen Netzausbaumaßnahmen mit den Ausführungen in der DENA-Netzstudie II und den bisherigen Netzentwicklungsplänen vergleicht vergleicht, muss man feststellen, dass die Netzausbaumaßnahmen im Zubaunetz weiter
gewachsen sind (zwischen 9.200 km und 10.200km Drehstrom-Freileitungen), obwohl 2600 km leistungsstarke HGÜ-Trassen und auch eine Stromspitzenkappung eingeplant sind.

Diese Planung weist aus , dass bei zunehmendem Anteil von EE an der Stromerzeugung der Netzausbaubedarf steigt, ein absurdes Ergebnis.

Zur Erinnerung: Die Dena-Netzstudie II favorisierte den Neubau von 3.600 km neuen 380kV-Trassen (Drehstrom), deren Kosten mit ca. 9, 7 Mrd. Euro betragen würde.

Ein überdimensionierter Netzausbau ist wirtschaftlich nicht vertretbar und damit nicht genehmigungsfähig.

4. Massive Umweltbelastung

Der Begriff "Umweltverträglichkeit" kommt in dem von den ÜNB vorgelegten Dokument nicht ein einziges Mal vor!
Eine Netzerweiterung auf ca. 8500 bis 9500 km Freileitungen kann nicht ohne eine eingehende Prüfung der Umweltverträglichkeit der jeweiligen Trassierung erfolgen. Es ist befremdlich, dass sich hierzu im NEP 2030 nicht ein Wort findet. Ist der Gesamtplan erst genehmigt, steht zu befürchten, dass mit dem "Argument" der Dringlichkeit des Netzausbaus Umwelt- und Naturschutz ausgehebelt werden.

Die Bürgerinitiative Biosphäre unter Strom,- keine Freileitung durchs Reservat betont die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Umwelt- und Naturschutzes und der Natur- und Großschutzgebiete, deren Integrität bei jeder Netzplanung respektiert werden muss.

5. Mangelnde Bereitschaft zur Implementierung und Anregung von Innovationen in der Netz- und Übertragungstechnologie

Der NEP ignoriert die Notwendigkeit der Entwicklung und Implementation
neuer leistungsfähiger und umweltverträglicher Übertragungssysteme. Möglichkeiten der teilweisen Erdverkabelung werden (außerhalb der EnLAG-Pilotprojekte un der HGÜ-Trassen) nicht erwogen.
Der Plan bietet, abgesehen von dem Versuch der Integration der HGÜ, keine Perspektive für innovative Entwicklungen in der Übertragungstechnik und Netztechnologie – insbesondere in Hinblick auf die Erdverkabelung und die Speichertechnologie - und behindert damit die Forschung und Entwicklung innovativer Technologien auf diesem Gebiet.

6. Der geplante Netzausbau ist inflexibel und nicht zukunftsfähig

Der NEP 2030 enthält eine Fülle von Einzelmaßnahmen, die auf den umstrittenen Netzstudien der Deutschen Netzagentur basieren. Er beinhaltet auch eine Fortschreibung der EnLAG-Projekte (Startnetz), die vor Ort hoch umstritten sind und zum Teil erfolgreich beklagt wurden.

Die Formulierung des Zielnetzes führt zu einem geschlossenen Planungssystem, in dem viele Entscheidungen bereits präjudiziert sind, so dass neuere Entwicklungen in der Stromerzeugungsstruktur (Regionalisierung, stärkeres Wachstum erneuerbarer Energien im Süden und Südwesten) nicht mehr angemessen berücksichtigt werden können, ja möglicherweise sogar dadurch verhindert werden.
Gefragt ist ein offenes Planungssystem, das innovations- und damit zukunftsfähig ist und dem Charakter der erneuerbaren Energien gerecht wird.

Schlussfolgerung

1. Die von den ÜNB vorgelegte Planung des Netzausbaus ist seit Anfang an durch die konzeptionelle Verengung der Netzplanung auf die Konservierung zentralistischer Strukturen geprägt. Folglich ist die Ausblendung des den erneuerbaren Energien eigenen Potentials zum dezentralen Strukturwandel die zentrale Schwäche auch des NEP 2030.

2. Das Startnetz setzt die Realisierung aktuell höchst umstrittener Freileitungsprojekte ( z.B. „Uckermarkleitung“, durch Urteil des BVerwG vom 21.1.2016 gestoppt) voraus und ignoriert die Kritik an diesen Planungen.


3. Der Einsatz von vier Hochspannungsgleichstromübertragungssystemen sollte dazu führen, dass der Netzausbaubedarf im 380kV- Drehstromsystem vermindert werden kann. Dies ist im NEP 2030 nicht vorgesehen.

4. Statt dessen präsentieren die ÜNB ein Konzept eines überdimensionierten Netzausbaus, dessen Auswirkungen auf die Umwelt nicht thematisiert werden. Umweltverträglichkeit von großen Infrastrukturprojekten ist immer zweifelhaft. Sie ist im Interesse der Allgemeinheit stets nachzuweisen.

5. Ein mittelfristig angelegter Netzentwicklungsplan sollte auch Impulse für innovative technische Lösungen vermitteln und für neue Lösungen offen und damit zukunftsfähig sein. Davon kann auch beim NEP 2030 keine Rede sein.

Die Bürgerinitiative „Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat!“ hält an ihrer mit Blick auf den NEP 2012 und NEP 2014 formulierten Kritik an der Netzplanung fest, denn der NEP 2030 forciert die Tendenz zur Überdimensionierung des Netzes.

Dieser überdimensionierte Netzausbau ist weder wirtschaftlich vertretbar, noch umweltverträglich und verstößt damit gegen zwei wichtige Prinzipien, die erfüllt sein müssen, wenn ein Leitungsbau genehmigungsfähig sein soll.

Die Bürgerinitiative lehnt daher den NEP 2030 in seiner Gesamtheit ab. Sie kann der Bundesnetzagentur nur empfehlen, den NEP 2030zu verwerfen und damit dem Gesetzgeber die Chance zu geben, die Konstruktion eines zukunftsfähigen Bundesnetzplanes in unabhängige Hände zu legen.


Chorin,12.2.2017
Hartmut Lindner, Sprecher der
Bürgerinitiative: Biosphäre unter Strom - keine Freileitung durchs Reservat!

Beitragsanhang

bi_biosphaere_unter_strom_1.pdf [ PDF | 116.21 KB ]