09.12.2015 - 14:51 | Dieter S. | NEP

Betreff: Stellungnahme zum NEP 2015
Die folgende Stellungnahme bezieht sich auf den NEP 2015.
Mit einer Veröffentlichung der Stellungnahme auf www.netzentwicklungsplan.de bin ich einverstanden.


Stellungnahme zum Szenariorahmen 2025 gültig für den Netzentwicklungsplan (NEP) 2015
Grundsätzlich ist anzumerken, dass der ganze Stromleitungsausbau in Deutschland nicht nach demokratischen Strukturen vollzogen wird. Die Leitungsbauer dürfen sich ihre Netze selbst planen nach irgendwelchen Wunschzahlen und die Betroffenen und Bezahler, also wir Bürger und Gemeinden, können im Rahmen des Bürgerdialogs gerade noch die gröbsten Fehler abwenden.
Die Leitungsbauer sind wirtschaftliche Unternehmen. Es ist somit ein grundlegender Fehler, dass Unternehmen, bei denen wirtschaftliche Interessen (garantierte Eigenkapitalrendite unabhängig von der Auslastung einer Leitung) im Vordergrund stehen mit der Planung Ihrer eigenen Wunschvorhaben beauftragt werden. Das wäre so wie wenn die großen Straßenbaufirmen die Straßen Deutschlands planen und bauen dürften. Solange bereits die Planung keine unabhängige Stelle übernimmt, sind alle Netzentwicklungspläne (NEP) sowie der Szenariorahmen in seiner ganzen inhaltlichen Form prinzipiell abzulehnen. Der Bundestag und die Abgeordneten sind hier gefordert, endlich demokratische Grundlagen auch beim Netzausbau zu schaffen.
Gegen den Szenariorahmen 2025, der als Grundlage für den Netzentwicklungsplan 2015 dient, erhebe ich zwei grundlegende Einwendungen, die ich dann wiederum in neun Einzelpunkte aufgliedere.
Erste Grundlegende Einwendung:
Der Leitungsausbau Deutschlands muss nach demokratischen Strukturen vollzogen werden.

Für die Planung müssen analog zum Straßenbau unabhängige Behörden geschaffen werden. Ähnlich wie beim Straßenbau müssen die Pläne mitsamt Notwendigkeitsberechnungen und Notwendigkeitsgutachten alle Prüfinstanzen und Anhörungen der Betroffenen durchlaufen. Wo sind beim Netzausbau die Träger der öffentlichen Belange, wo die betroffenen Bürger?
Die Macht der Netzbauer muss eingeschränkt werden und darf keinesfalls wie die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) dies wünschen, erweitert werden. So dürfen die Leitungsbauer keine eigenen völlig überhöhten Strom-Wunschzahlen vorgeben wie auch hier in diesem Szenariorahmen wieder geschehen und danach wiederum ihre Wunschplanungen richten.
Insbesondere müssen die Gemeinden, über deren Gebiet Netzplanungen verlaufen sollen, in schriftlicher Form zuvor informiert werden, damit Gemeinderat und Verwaltung Zeit haben, die Vorhaben intern zu erörtern. Das sind eigentlich demokratische Selbstverständlichkeiten.
Es müssen endlich demokratische Strukturen – also Planungsauftrag, Planungsvergabe und Kontrolle von neutralen Instanzen – eingeführt werden. Die Zeiten feudalherrschaftlicher Machtfülle sollten auch beim Leitungsbau vorbei sein.

Zweite Grundlegende Einwendung
Eine Umstellung auf eine Stromversorgung mit alternativen Energien, deren Kennzeichen die ständige Unregelmäßigkeit bei der Erzeugung ist, kann nur mit einer Speicherung funktionieren.

Dies zeigt auch die Tatsache, dass im Jahr 2012 an manchen Tagen 165GW Strom erzeugt wurde, aber an Spitzentagen des Verbrauches höchstens 87GW benötigt wurden, im Sommer sogar nur 40 bis 60 GW. Wir haben zu viel Strom. Jetzt schon ist eine Speicherung wie z.B. Power to gas, in Form der beiden Varianten a) Strom zu Wasserstoff oder b) Strom zu Erdgas absolut marktreif und wird technisch bereits umgesetzt.
Deshalb ist diese Speicherungsart zu berücksichtigen. Keinesfalls darf in Zeiten starker Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie der stets überschüssige Kohlestrom in neuen Leitungen zu Schleuderpreisen oder gar Negativpreisen verkauft werden. Der Szenariorahmen sollte die Einspeisung von überflüssigem und klimaschädlichem Kohlestrom nicht (annähernd) konstant lassen, sondern drastisch verringern und auslaufen lassen.
Schon deswegen ist der Szenariorahmen 2025 grundlegend falsch. Laut Gesetz geht zwar der Alternativstrom vorrangig ins Verbrauchernetz, dafür wird jedoch der Kohlestrom mehr oder weniger verschenkt. Die Kapazität des Leitungsnetzes darf sich nicht an der Maximaleinspeisung von Überschussstrom orientieren, sondern nur am Versorgungsbedarf!
Wir haben bereits von den bisherigen Erzeugerstrukturen in Großkraftwerken ein gut ausgebautes Fernleitungsnetz, auf das zurückgegriffen werden kann. Eine richtig durchgeführte Energiewende braucht keinen Netzausbau sondern nur an einzelnen Stellen einen Netzumbau. Zusätzliche Stromleitungen können den meist kurzzeitig anfallenden Stromüberschuss nicht speichern, sondern nur irgendwohin leiten. Anstatt den Stromüberschuss in neuen Leitungen zu verschenken, wäre ein umfangreicher Speicherbau allemal rentabler. Die Aussagen, Speicherbau sei zu teuer, sind falsch und beruhen auf einem falschen Vergleich, nämlich auf Leitungsbau via Speicherbau.
Richtig wäre der Vergleich: Kosten für den Leitungsbau plus Ausfallkosten für den verschenkten Strom via Kosten Speicherbau plus Erlös für den gespeicherten Strom bzw. das erzeugte Gas.

Neun weitere Einzeleinwendungen
1. Planung der Stromnetze
Der Szenariorahmen wird von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) erstellt, die selbst vom Netzausbau in Form der garantierten Eigenkapitalrendite profitieren. Von der Bundesnetzagentur (BNetzA) wird der Szenariorahmen nur geprüft.
Der derzeitige Netzausbau ist weitgehend auf die zentrale Erzeugung von Strom in Großkraftwerken ausgerichtet, die überwiegend den großen Energiekonzernen gehören. Die ÜNB sind teilweise deren eigene Tochterunternehmen. Damit planen derzeit vom Netzausbau profitierende Unternehmen neue Leitungen, deren Rendite ihnen gesetzlich garantiert ist, deren Kosten aber der Verbraucher trägt. Eine unabhängige, volkswirtschaftlich und optimal am Bedarf orientierte Planung des Netzausbaus und der Erzeugungsstruktur ist so nicht zu erwarten.
Um den Netzausbau und die Erzeugungsstruktur volkswirtschaftlich optimal auszurichten, muss die Planung der Szenarien von einer unabhängigen Institution (z.B. BNetzA) erfolgen.
2.Sensitivitätenberechnung
Die Berechnung der Sensitivitäten (= Wirksamkeit gezielter Maßnahmen, Alternativen) wird allein von den ÜNB durchgeführt. Deren Berechnungen werden nicht von der BNetzA geprüft, wie das bei den übrigen Netzberechnungen im NEP der Fall ist.
Sensitivitäten müssen für alle Szenarien gerechnet und von der BNetzA oder einem von ihr beauftragten unabhängigen Institut geprüft werden.
3.Bevorzugung der Erzeugung und des Transports von (Braun-) Kohlestrom
Das Stromnetz soll nach den gegenwärtigen gesetzlichen Vorgaben selbst in Zeiten hoher Einspeisung erneuerbarer Energien und / oder sinkender Last noch in der Lage sein, zusätzlich den gesamten erzeugten Kohlestrom zu transportieren. Nach dem aktuellen Marktmodell bestimmen allein die Brennstoffkosten (Grenzkosten), welche Kraftwerke zugeschaltet werden. Das bevorzugt umweltschädliche Kohlekraftwerke gegenüber neuen, flexiblen und hocheffizienten Gaskraftwerken. Braunkohlekraftwerke sind zu unflexibel, um auf schwankende Erzeugungs- und Bedarfssituationen wirtschaftlich reagieren zu können. Sie sind verantwortlich für häufigen Überschussstrom, der die Netze überlastet. So werden bestehende Gaskraftwerke verdrängt und es wird nicht mehr in neue investiert.
Der Szenariorahmen muss so gestaltet werden können, dass er solchen Fehlentwicklungen entgegenwirken kann.
4. Netzausbau für europäischen Stromhandel
Wir Verbraucher können den Strom nicht dort einkaufen, wo er am günstigsten ist. Deutschland hat in Europa für Privatkunden die höchsten Strompreise (nicht jedoch für gewerbliche Großkunden). Andererseits planen die Netzbetreiber ein neues Stromnetz für den europäischen Stromhandel. Der europäische Stromhandel ist nicht auf einen vertretbaren Netzausbau begrenzt, sondern er erhöht den erforderlichen Netzbedarf weit über den reinen Versorgungsauftrag Deutschlands hinaus. Wir Privatverbraucher bezahlen, haben aber keinen Nutzen davon.
Nutzen und Schaden des europäischen Stromhandels für den Verbraucher sind einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung zu unterziehen.
5. Freie Wahl der Kraftwerksstandorte
Die gesetzliche Vorgabe, nach der Kraftwerksstandorte vom Betreiber gewählt werden dürfen, die Kosten für den Transport des dort erzeugten Stroms aber durch die Verbraucher erfolgt, führt oft nicht zur Wahl volkswirtschaftlich sinnvoller Standorte. Eine Vorgabe, Energie dort zu erzeugen, wo es netzplanerisch Sinn macht, würde den Netzbedarf senken.
Die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen begünstigen verbrauchsferne Großkraftwerke, erhöhen den Netzbedarf, und erschweren eine dezentrale und verbrauchsnahe Energiewende.
6. Offshore-Windenergie, unrealistischer Zubau
Der Zubau der Windenergie Offshore ist ab 2021 mit einem durchschnittlichen Wert von 800 MW vorgesehen. Ein absolut unrealistischer Wert. Durch diese Fantasiezahlen würde sich der Netzausbau erheblich erhöhen, was ganz im Sinne der Netzbetreiber ist. Wir weisen darauf hin, dass derzeit lediglich 600 MW installiert sind, was auf ständige Probleme mit dem Standort Nord/Ostsee zurückzuführen ist. Die vergangenen Jahre haben dies deutlich gezeigt. Auf diese teuerste Ökostromerzeugung ist daher komplett zu verzichten. Spätestens 2021 wird es aus Kostengründen keinen Zubau mehr geben. Auch die Naturschutzverbände positionieren sich zunehmend gegen die WKA im Naturschutzgebiet Wattenmeer.
7. Solarenergie in Süddeutschland
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass durch dezentrale Photovoltaikanlagen mit Speichermöglichkeit vor allem in Süddeutschland durch eine intelligente Vernetzung eine deutlich effektivere Nutzung der Netze erreicht wird. Zum Beispiel: Wegen der höheren Sonnenscheindauer in Süddeutschland wird die Solarenergie bevorzugt und im Norden wird vermehrt auf Windenergie gesetzt. Es ist wenig sinnvoll, den Windstrom mit langen Fernleitungen und den dazugehörigen hohen Stromverlusten in den Süden zu transportieren und mit dem Windstromüberschuss die Umsetzung der Energiewende im Süden zu behindern. Außerdem werden die Pumpspeicher im Süden für den zeitweiligen Solarstromüberschuss selbst benötigt. Für den Windstrom sind weitere entsprechende Anlagen wie z.B. „power to Wasserstoff“ in Norddeutschland zu bauen. Der Energieträger Wasserstoff wird dem Erdgasnetz beigemischt. (siehe EON-Windgas). Auch die anderen großen Energieunternehmen sollten diesen Weg gehen und nicht ihren Tochterfirmen den Stromnetzausbau empfehlen.
Der in langen Fernleitungen in den Süden verfrachtete Windstrom gefährdet die Umsetzung der Energiewende in Süddeutschland.
8. Flexibilität und Robustheit der Netzplanung
Die Szenarien A, B und C im Szenariorahmen 2025 unterscheiden sich nur gering in der Höhe der angenommenen Erzeugungskapazitäten, da alle von denselben derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgehen. Laut ÜNB sollen deshalb alle Maßnahmen, auch wenn sie nur für eines der Szenarien benötigt werden, als notwendig erklärt werden. Dadurch wird das Robustheitskriterium aufgeweicht. Ein Planungsansatz, wie der von AGORA Energiewende, der von den optimalen Bedingungen für Erzeugung, Verbrauch und Transport von Energie ausgeht, sollte dagegen Grundlage für die Planung eines robusten Stromnetzes sein.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten die Netzplanung bevormunden, nicht umgekehrt.
9. Rolle der Bundesnetzagentur (BNetzA)
Wenn Einsprüche berechtigt scheinen, aber mit der aktuellen Gesetzeslage in Widerspruch stehen, soll die BNetzA weiterhin entsprechende Empfehlungen an den Gesetzgeber aussprechen. Dazu zählen auch Vorschläge für sinnvolle Gesetzeskorrekturen.
Außerdem ist für die Zukunft auch beim Stromnetz ein demokratisches Kontrollsystem einzuführen, das nach ähnlichen Strukturen gestaltet ist wie der Straßenausbau Im Moment noch fordern wir mehr Gestaltungsfreiheit für die einzige kontrollierende Behörde, die BNetzA, wobei darauf zu achten ist, dass alle Szenarien der ÜNB auch die nationalen und europäischen Natur- und Umweltschutzziele, insbesondere die Klimaschutzziele einhalten.
Die Kontrolle durch Naturschutzverbände ist deshalb als nächstes zu stärken. Die Güter Mensch, Natur und Umwelt müssen im Mittelpunkt des Netzumbaus stehen und nicht die Gewinnmaximierung der Übertragungsbetreiber!!

Mit freundlichen Grüßen
Dieter S.